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Vipassana – Wie man das Glücksrad zum Drehen bringt

…und was man bei einem Vipassana-Kurs sonst noch lernen kann

Wie die Marienkäfer im Mai haben sich in den letzten Jahren hunderte verschiedene Meditations-, Yoga oder Tai-Chi-Schulen in Europa ausgebreitet. Alle versprechen ungefähr das Gleiche: das Leben irgendwie entspannter, ausgeglichener und und glücklicher zu machen. Doch wohin soll man sich wenden, wenn man seine religiösen Ansichten unberührt lassen möchte, an keine Sekte geraten möchte und nun auch nicht ein ganzes Vermögen dafür ausgeben will? Eine sehr gute Möglichkeit für Leute, die bereit sind, an sich zu arbeiten, ist Vipassana.

Was genau ist also Vipassana und was macht es so wirkungsvoll?

„Vipassana ist eine der ältesten Meditationstechniken Indiens und bedeutet soviel wie „die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind“. Vipassana wurde in Indien vor über 2500 Jahren von Gotama, dem Buddha, wiederentdeckt und von ihm als ein universelles Heilmittel gegen universelle Krankheiten, als eine Kunst zu leben gelehrt. Keiner bestimmten Religion zugehörig, strebt diese Technik, die vollständige Beseitigung geistiger Unreinheiten und letztendlich das Glück vollkommener Befreiung an.“

Diese Erklärung findet man auf der Webseite https://www.dhamma.org/de/about/vipassana. Besser könnte ich es nicht in Worte fassen. Das klingt nach sehr großen Versprechungen, aber ich kann schon mal vorweg sagen: nicht zu Unrecht!

Die gute Nachricht ist: um Vipassana zu erlernen, muss man nicht Mönch oder Nonne in einem einsamen Kloster im Himalaya werden, sondern kann sich einfach für einen 10-tägigen Kurs im vogtländischen Triebel anmelden. Dort gibt es ein eigens dafür errichtetes Zentrum. Die für manche vielleicht weniger gute Nachricht ist: Dieser Kurs ist kein Urlaub und kein Vergnügen, sondern eine tiefe Auseinandersetzung mit sich selbst. Das ist nur durch die Einhaltung strenger Regeln möglich. So zum Beispiel herrscht die ganze Zeit das „edle Schweigen“. Das bedeutet konkret: keinerlei Kommunikation mit anderen Kursteilnehmern. Außerdem wird strikte Geschlechtertrennung vorgenommen, Musik oder sonstige Unterhaltung ist nicht gestattet und es gibt einen streng geregelten Tagesablauf (Der erste Gong erklingt um 4:30!).

Meine persönlichen Erfahrungen mit Vipassana

Es ist leider beinahe unmöglich, vorher etwas darüber zu sagen, wie Vipassana konkret das Leben zu ändern vermag. Zum Einen ist das von Mensch zu Mensch sehr verschieden. Zum Anderen ist ja gerade das, was die Technik so wirkungsvoll macht, das Lernen auf Erfahrungsebene. Und die ist so tief, dass man mit Worten nur blasse Ahnungen davon vermitteln kann. Trotzdem versuche ich nun mein Glück und teile hier ein bisschen von meiner persönlichen Erfahrung.

Letzten Sommer habe ich in Triebel den 10-Tages-Kurs absolviert. Bezahlt habe ich dafür nichts, denn der ganze Kursbetrieb basiert auf Ehrenamt und Spenden. Das Zentrum ist wunderschön – es gibt einen prächtigen Blumengarten und viel Wald und Wiese zum herumspazieren. Das ist wichtig, denn viel anderes hat man in den kurzen Pausen zwischen den Meditationen ja nicht zu tun. Zu Kursbeginn hielt ich all die strengen Regeln für etwas übertrieben. Kann ich nicht auch konzentriert meditieren, wenn ich um acht aufstehe? Und glaubt ihr wirklich, dass der Anblick eines männlichen Wesens mich so aus dem Konzept bringen würde? Erst gegen Ende habe ich gespürt, dass der ganze Kurs definitiv ohne diese Regeln nicht halb so wirkungsvoll wäre.

Bei den Anleitungen zur Meditation und den Vorträgen am Abend wurde immer von einem „tiefen Eingriff ins Unbewusste“ gesprochen. Das hat mir am Anfang unglaubliche Angst bereitet. Es klingt ja tatsächlich so bedrohlich wie eine Beinamputation oder wie die Gehirnwäsche in einer Sekte – von sowas hat man ja auch schon gehört! Aber diese Bedenken waren alle unberechtigt. Diese Meditationstechnik kommt vollkommen ohne Mantras oder Bilder aus, die einen irgendwie beeinflussen könnten. Sie ist auch keine gewaltsame Operation der Psyche, sondern basiert lediglich auf Beobachtung. Beobachtung des eigenen Atems, des eigenen Körpers, sonst nichts. Nach ein paar Tagen wurde mir dann klar, dass Beobachten schließlich nichts Gefährliches sein kann.

Insgesamt waren die 10 Tage schon ziemlich hart, insbesondere die ersten 4-5 Tage. Was ich hier beschrieben habe, sind nur ein paar besonders einprägsame Themen, die mir dort zu schaffen gemacht haben.

Besonders in der ersten Kurshälfte habe ich ein riesengroßes Knäuel an Ängsten, Schmerzen und Sorgen mit mir herumgetragen. Ungeduldig habe ich versucht, diese ganzen Probleme irgendwie loszuwerden und damit alles nur noch schlimmer gemacht. Am 3. Tag bin ich, statt zu meditieren, aus Angst und Zweifel in Tränen ausgebrochen. Ich war kurz davor, den Kurs abzubrechen, aber ich habe mich erinnert, dass ich nicht grundlos hier bin. Außerdem wollte ich Vipassana eine echte Chance geben und das geht nur, wenn man bis zum Schluss mitmacht.

Zum Glück habe ich also nicht abgebrochen. Ab dem fünften Tag etwa wurde auch alles wesentlich besser. Sowohl meine Sorgen als auch meine Schmerzen haben sich so langsam aufgelöst und ich konnte schon ein wenig spüren, wie gut mir diese Meditation tut. Am letzten Tag des Kurses wurde das „edle Schweigen“ beendet und man konnte sich mit den anderen Teilnehmern austauschen. Erstaunlich war für mich, dass viele der anderen Teilnehmer zu einem ähnlichen Zeitpunkt mit dem Gedanken gespielt haben, den Kurs abzubrechen. Gut also, dass wir vorher nicht reden durften, sonst wären wir bestimmt alle gemeinsam am dritten oder vierten Tag abgereist.

Bei den abendlichen Vorträgen wurde immer sehr einleuchtend erklärt, wie genau und warum diese Technik funktioniert. Ein Bild, das sich mir stark ins Gedächtnis geprägt hat, ist das Rad. Ein Rad kann in verschiedene Richtungen rollen und wenn es einmal rollt, dann ist es schwer aufzuhalten. Oft passiert es mir im Alltag, dass ich mich und mein Rad in eine Negativ-Spirale herabstoße, sodass ich das, was mich unglücklich macht, nur noch verstärke. Man kann aber, wie ich erstmalig bei diesem Vipassana-Kurs erfahren habe, das Rad auch in die andere Richtung drehen. Und wenn es erst einmal in die richtige Richtung rollt, dann kann ein reglrechtes Glücksrad daraus werden.

Nach Vipassana – zurück im Alltag

Als der Kurs beendet war und ich wieder nach Hause fuhr, ging es mir zwar sehr gut, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass mein Leben nun grundsätzlich anders ist. Ein paar schlechte Angewohnheiten waren zwar verschwunden und meine Konzentrationsfähigkeit war besser, aber ansonsten ging mein Alltag seinen gewohnten Gang. Doch mit der Zeit habe ich gemerkt, dass Vipassana mich in meinem Denken und Handeln doch grundsätzlich verändert – eben nur langsam und Schritt für Schritt. Es passiert mir seit dem Kurs immer wieder, dass ich Dinge, die in mir oder um mich herum passieren, plötzlich ganz anders verstehe und plötzlich auch weiß, wie ich damit gut umgehen kann.

Außerdem bin ich seit dem Kurs insgesamt zufriedener mit mir. Der Drang, immer genau das haben zu wollen, was man gerade nicht haben kann, ist wesentlich schwächer geworden. Zum Beispiel kann ich viel besser mit mir alleine und vollkommen glücklich damit sein, genauso gut aber auch in Gesellschaft. Und der Umgang mit anderen Menschen ist auch ein bisschen anders geworden – irgendwie liebevoller und herzlicher. Das Beste jedoch ist, dass man nach diesem Kurs ein konkretes Werkzeug in der Hand hat, mit dem man alle Stürme, die einen manchmal vom Boden reißen wollen, gut überstehen kann. Es ist zwar nicht so, dass ich nun keine Probleme mehr habe, aber wenn welche kommen, dann weiß ich, was zu tun ist und das hilft mir unglaublich.

Ich kann also nur meine wärmste Empfehlung aussprechen – ein Vipassana-Kurs ist zwar nur der Anfang von einem glücklicheren und freieren Dasein, aber ein ganz ausgezeichneter Anfang!

Ich bin gespannt auf Meinungen, andere Erfahrungen und Fragen! Entweder in den Kommentaren oder an claudia@zeitgeistich.de.
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Foto: Dhammacakka von Lars Göhler, siehe http://blog.travel-report.info/

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Hallo, ich bin Claudia, die kleine Schwester von Luise, und bin sehr froh, dass ich auf diesem wunderbaren Blog auch mitmischen darf! Ich liebe Musik, Reisen und Literatur und viele viele andere Sachen. Wie so viele Menschen bin ich eigentlich immer auf der Suche nach mir selbst, nach meinem Wohnungsschlüssel, nach meinen Freunden, nach dem Weg.... ...und freue mich, euch meine Suchergebnisse ab und zu mitzuteilen! :)

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